Pforzheim (cm) Pforzheim steht für die Einwohner der Stadt für Theater, Museen und jede Menge Kultur. Die Großstadt am Rande des Schwarzwalds zählt zu den besonderen Städten der Region, die historisch von der Kultur des alten Roms angetrieben wurde. Wie vielfältig die Geschichte der Stadt ist, zeigt ein etwas anderer Blick auf die Geschichte, der von Zerstörung, Wiederaufbau und kuriosen Ampeln erzählt.
Pforzheim wächst. Im Jahr 2016 lebten mehr als 123.000 Einwohner in der Stadt und festigten somit den Titel als Großstadt. Eingebettet in die Metropolregion rund um Stuttgart zeigt Pforzheim heute ein modernes Gesicht, das sich jedoch seiner historischen Wurzeln bewusst ist. Am deutlichsten wird dies mit einem aktuellen Besuch im Gasometer Pforzheim. Der weltbekannte Künstler Yadegar Asisi gestaltete das Gasometer zu einer umfassenden geschichts-künstlerischen Leinwand um, in der sich historische Ereignisse auf bedeutende und einprägsame Weise anschauen lassen. Neben seinen Werken in Leipzig und Dresden gehört auch Pforzheim zur künstlerischen Heimat des Maxi-Künstlers. Die Ausstellung “Rom 312”, die die Städte der Antike aufleben lässt, ist jedoch nicht willkürlich in Pforzheim gelandet. Rom und Pforzheim verbindet eine besondere Beziehung. Von den Römern gegründet, hieß die heutige Großstadt ehemalig “Portus” – und als östliche Pforte des ehemaligen römischen Reichs belegt sie einen bedeutenden Eintrag im geschichtlichen Kontext. Das römische Reich teilte sich wenige Jahre nach Christi Geburt in Provinzen auf, die sich über ganz Europa, dem Nahen Osten und osteuropäischen Bereichen ausbreiteten. Pforzheim war ein bedeutender Standort der Provinz “Germania superior”, dem Obergermanien, auch wenn der Name erst 900 Jahre später erstmals eine urkundliche Erwähnung erfuhr.
Pforzheim und Zerstörung: Eine zweitausend Jahre alte Geschichte
Die Geschichte Pforzheims lässt sich jedoch nicht ohne die Geschichte von Zerstörung erzählen. Pforzheim war von Anbeginn der eigenen Zeitrechnung ein Ort der Vergänglichkeit, in dem Kriege und Raubzüge wüteten. Bereits dreihundert Jahre wurde die Region um das heutige Pforzheim im Zuge der Völkerwanderung Ziel von Angriffen. Die Stadt und umliegende Gemeinden wurde geplündert und von einer mächtigen Hand in die nächste gereicht. War es zuerst das römische Reich, das für die Entstehung des Ortes mitverantwortlich war, folgten mit den Alamannen und den Franken weitere bedeutsame Familien der Weltgeschichte. Pforzheim als Verwaltungseinheit der Germania superior wurde nach und nach fränkischer und stand lange unter der Herrschaft der Merowinger. Dennoch scheint vor allem die Zugehörigkeit zum römischen Reich bis heute in die Stadt hinein. So war Pforzheim als “Portus” nicht allein namentlich ein Hafen zur westlich gelegenen Groß-Zivilisation, sondern entwickelte sich zum Tor in eine neue Welt. Die Römer verstanden es, Handelsrouten und eine Infrastruktur zu entwickeln, die große Bereiche abdeckten und eine Vernetzung ermöglichte. Wenige Kilometer von Pforzheim entfernt liegt der kleine Ort Remchingen, der das Römermuseum beinhaltet und archäologisch zeigt, was die Römer auf die Beine stellten: Erste Heizungssysteme, altertümliche Sanitärinstallationen und Brunnen, die die Versorgung einer ganzen Region garantierten. Die Infrastruktur war revolutionär. Auf Wasser- und Landwegen legten die Römer dennoch einen Grundstein für die heutige Anordnung der Stadt, auch wenn diese in den Folge-Jahrhunderten noch einiger Zerstörung unterworfen war.
Nach der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1067 vergingen Jahre des Friedens, die erst mit dem Einmarsch der Truppen von Ludwix XIV. ein Ende fanden. Kurioserweise wurde Pforzheim unter der Regentschaft des Sonnenkönigs dreimalig geplündert und die Mauern der Stadt niedergebrannt. Die Zerstörung der Stadt führte immer wieder zu einem Neuaufbau durch die Bevölkerung. Zu wichtig war die Lage an der Enz, zu ausgebaut die Infrastruktur. Und selbst die letzte Zerstörung, im zweiten Weltkrieg, konnte der Stadt geschichtlich nur einen kurzen Schreck einjagen und führte im Nachgang zu einer der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Pforzheims – dem Monte Scherbelino. Der Name entsprang dem Volksmund und bezeichnet einen Berg aus Glas, Metall und Bauschutt, der im Zuge der Weltkriegs-Schäden entstand. Der Trümmerberg ist heute eine der besten Möglichkeiten, um aus der Entfernung einen romantischen Blick in die Stadt zu werfen. Ein Mahnmal erinnert an den Schrecken, den die Stadt und deren Einwohner zu durchleiden hatte. Übrigens ist der Monte Scherbelino nicht alleinig durch Bauschutt und Trümmer auf die stattliche Größe von mehr als 400 Metern angewachsen. Von der Gesamthöhe gehen nur etwa 40 Meter auf die Schäden des Weltkriegs zurück, der Rest ist eine natürliche Erhebung. Pforzheim ist sich auch in diesem Bezug seiner geschichtlichen Relevanz bewusst und lebt diese aktiv.
Pforzheim und der Verkehr – Von Ampeln und Kleinbahnen
Nicht viele Städte können von sich behaupten, im Zuge der Motorisierung der Bevölkerung früh auf moderne Verkehrstechnik gesetzt zu haben. Pforzheim gehört dazu. Denn spätestens mit einer der berühmtesten Ampeln Deutschlands, die sich auch in anderen Städten wiederfand, begann Pforzheim auf der Karte moderner Straßenführung aufzutauchen. Statt auf Verkehrspolizisten oder Schilder mit Signallichtern zu setzen, setzte sich am bis heute berühmten Leopoldplatz eine Zeigerampel durch. Auf dieser stand groß geschrieben, dass die rote Farbe “Stopp” bedeutet – und daran hielten sich die Besitzer der Automobile. Wie eine Uhr drehte sich die Zeigerampel im Kreis und zeigte bei ihrer Umrundung zweimalig Grün und zweimalig Rot an. Die Autofahrer wussten also nicht nur genau, ob sie fahren durften oder nicht, sondern konnten sich auch orientieren, wann sie wieder den Gang einlegen mussten. Heute wurde die Zeigerampel durch moderne Leitsysteme ersetzt. Die Bedeutung für den Leopoldplatz bleibt jedoch bestehen. Bis heute fahren die meisten Stadtbus- und Regionalbuslinien über den Leopoldplatz, der einmal eine ganz besondere Ampel sein Eigen nennen konnte.
Und wer in Pforzheim vom Nahverkehr spricht, kommt an der Kleinbahn nicht vorbei. Als sich Pforzheim am Ende des 19. Jahrhunderts zum Zentrum einer ganzen Region entwickelte, warf Pfarrer Leutwein den Gedanken auf, wie die umliegenden Gemeinden an den wirtschaftlichen Raum angeschlossen werden konnten. Schnell war die Idee einer Bahn geboren, die als Dampfstraßenbahn beantragt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts war das Projekt nach einigen Hürden vollendet und zeigte bereits nach kurzer Zeit die Schnelllebigkeit und die Entwicklungsgeschwindigkeit der damaligen Technik. Begann die Bahn mit einer Dampfmaschine, wurde die Strecke im Anschluss für acht Jahre mit elektrischen Wagen ausgestattet, bevor erneut auf Dampftechnik umgesattelt wurde. Die Stadt Pforzheim sah sich nicht nur die Veränderungen an der Strecke an, sondern war auch vom Erfolg der Kleinbahn überzeugt – so sehr, dass sie Teile der Strecke übernahm und zweigleisig ausbaute. Der Grundstein für das heutige Straßennetz war gelegt. Besonders bemerkenswert waren die enormen Pendlerbewegungen, die zu Arbeitsbeginn und zum Arbeitsende in die Bahn strömten. Das führte dazu, dass besonders lange Züge und Bahnen eingesetzt wurden, um der Bewegung Herr zu werden. Heute sind die Bahntrassen nicht mehr aktiv. Nach 40 Jahren Betrieb zollte sowohl die Technik als auch die Infrastruktur der enormen Belastung Tribut. Die Bahn wurde zum Verlustgeschäft – es folgte ein Rückbau. Dennoch spielt die komplette Bahnanlage bis heute eine Rolle in der Stadt. Geocacher versteckten einige Hinweise und “Caches” (Ziele einer Schnitzeljagd) am Rande der Bahnstrecke, so dass sie auch heute noch für Abenteurer rund um Pforzheim zu den Highlights gehört.
Ein Pforzheimer lauscht ganz genau
Abschließend muss die Geschichte vom “Dicken” erzählt werden. Mit rundem Bauch steht der ältere Mann jeden Tag am Treffpunkt in der Schmuckstadt Pforzheim, beobachtet die Menschen und hat immer ein offenes Ohr. Die Rede ist natürlich von der Bronze-Figur, die nach Jahren des Lauschens und der Gesellschaft für Wartende abgegriffen und gelebt aussieht. Der Dicke ist jedoch nicht allein. In Deutschland existieren insgesamt fünf Brüder des älteren Herren, die gemeinsam die Grupper der “Lauschenden” bilden. Der Künstler lehnte die Figur an die Statur eines Kollegen an, der damit in die Annalen der Stadt Pforzheim einging. Eigentlich sollte der Herr nur als Exponat einer Sonderausstellung temporär in der Großstadt Platz finden. Dank einer Spendenaktion der überzeugten Einwohner Pforzheims kamen mehr als 50.000 Mark zusammen, die den Kauf und die Installation des neuen Mittelpunkts im Stadtbild ermöglichten. Pforzheim und der Dicke gehören für immer zusammen.
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