Verfassungsschutzbericht 2019: Mehr politisch motivierte Straftaten im Südwesten

Karlsruhe/Stuttgart (pm/amf) Im Südwesten ist die Zahl politisch motivierter Straftaten im zurückliegenden Jahr gestiegen. Das geht aus dem heute veröffentlichten Verfassungschutzbericht 2019 hervor. Als größte Gefahr habe sich dabei der Rechtsextremismus erwiesen, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) anlässlich der Präsentation des Berichts am Montag in der Landeshauptstadt. Auch bei linksextremistischen und islamistischen Straftaten verzeichneten die Behörden demnach eine landesweite Zunahme.

Die Gesamtzahl der in Baden-Württemberg lebenden Personen, die als Rechtsextremisten gelten, ist nach Auskunft des Landesamts für Verfassungsschutz 2019 auf ca. 1.900 gestiegen – rund 200 mehr als im Vorjahr. Der Anstieg sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass in die Gesamtsumme erstmals ein „sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien“ mit eingeflossen sei, das die Angehörigen der AfD-Teilstrukturen „Der Flügel“ und „Junge Alternative“ umfassen würde. Die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten stieg nach Angaben der Behörden 2019 auf rund 790, in den vergangenen beiden Jahren lag die Zahl noch bei ca. 770.

„Die Anschlussfähigkeit von rechtsextremen Inhalten an die bürgerliche Mitte war sicher nie so groß wie in den Jahren seit 2015. Nicht erst seit den Vorfällen in Kassel und Halle verzeichnen die Verfassungsschutzbehörden eine stetige Zunahme an rechtsextremistischen oder rechtsterroristischen Gefährdungssachverhalten. Auch zunehmende Radikalisierungsprozesse in militanten Kleinstgruppen oder bei Einzeltätern sind zu beobachten – diese reichen bis zur Bereitschaft zur Begehung von Tötungsdelikten“, sagte Strobl.

Reichsbürger und Selbstverwalter

Der Szene der sogenannten „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ gehörten aktuell rund 3.200 Personen in Baden-Württemberg an, von denen sich etwa drei Prozent auch dem Rechtsextremismus zurechnen ließen. Nach wie vor gingen zahlreiche Hinweise von Behörden zu „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ein, die das Landesamt für Verfassungsschutz bearbeiten würde. Priorität in der Bearbeitung hätten dabei weiterhin Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen oder Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. In den zurückliegenden drei Jahren sei 346 „Reichsbürgern“ die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen worden.

Linksextremismus – deutlicher Anstieg der Straftaten

Im Bereich des Linksextremismus hat der baden-württembergische Verfassungschutz 2019 insgesamt 486 linksextremistisch motivierte Straftaten verzeichnet – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2018 mit insgesamt 334 Straftaten. Ein erheblicher Teil davon seien typische Delikte in Wahlkampfzeiten wie Beschädigungen oder Zerstörungen von Wahlplakaten gewesen. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten habe sich mit 112 registrierten Vorfällen nahezu verdoppelt. Die Gesamtzahl der Linksextremisten in Baden-Württemberg lag 2019 laut Verfassungsschutz bei 2.750 Personen; 2018 waren es insgesamt noch 2.950. Davon seien 850 Personen dem gewaltorientierten Spektrum zuzurechnen. Während gewaltsame Zusammenstöße zwischen Links- und Rechtsextremisten bei Demonstrationen im Jahr 2019 weitgehend ausgeblieben seien, habe sich die gewaltorientierte Szene auf gezielte Attacken gegen Wahlkandidaten, vor allem der AfD, verlegt – dazu gehörten unter anderem Sachbeschädigungen und Farbschmierereien.

„Auch die Polizei wurde wiederholt zum Ziel gewaltsamer Attacken. Gewalt gegen Polizeibeamte ist absolut inakzeptabel. Gewalt gegen Personen, Gewalt gegen Polizeibeamte dulden wir nicht. Wir werden hier mit aller Konsequenz handeln. Unsere Polizei hat Respekt und Dank verdient, nicht Hass und Gewalt. Die Polizei sorgt für Recht und Ordnung, sie setzt die Regeln durch, die wir uns in dieser Gesellschaft gegeben haben. Deshalb ist ein Angriff auf eine Polizistin oder einen Polizisten wie ein Angriff auf uns alle“, sagte Strobl.

Bedrohung durch den Islamistischen Extremismus besteht weiter

Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der im Südwesten wohnhaften Islamisten. Zum Jahresende lag sie dem Verfassunsgschutzbereicht zufolge bei 4.105 – knapp 300 mehr als im Jahr zuvor. Am stärksten sei die Zahl der Salafisten gestiegen, die laut Innenministerium bei 1.200 liegt – 2018 waren es noch 950. Nach der faktischen Kapitulation der verbliebenen Kämpfer sowie dem Tod ihres Anführers Al-Baghdadi endete die Territorialhoheit des ehemaligen „Islamischen Staates“ (IS) im Jahr 2019. Zentrale IS-Propagandastrukturen seien allerdings immer noch vorhanden, einschlägige Publikationen online weiterhin verfügbar. „Die größte Gefahr weltweit geht von Einzelattentätern in psychischen Ausnahmesituationen aus, die sich von einer vermeintlichen, selbst kommunizierten IS-Nähe mediale Aufmerksamkeit versprechen. Deshalb gilt: In Deutschland besteht nach wie vor eine hohe Gefährdung durch die genannten Einzelakteure, die jederzeit auch in Gemeinden außerhalb von symbolträchtigen Großstädten zuschlagen könnten“, sagte der stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident Thomas Strobl .