Schwere Zeiten für Echse, Schlange & Co.

Mannheim (cm) Viele von gewissenlosen, überforderten „Tierliebhabern“ in Baden-Württemberg ausgesetzte Exoten drohen alljährlich – wie auch in den kommenden kalten Winterwochen auch – an Erfrierung einzugehen. Das Mannheimer Tierheim zählt mittlerweile zu den wenigen, auf Reptilien spezialisierten Tierheime in Baden-Württemberg, die über eine eigene Reptilien-Abteilung verfügen und für viele in freier Wildbahn eingefangene Exoten die letzte Rettung darstellen.

Immer wieder wird in den Medien von Begegnungen der eher unheimlichen Art zwischen Mensch und Reptil berichtet. Etwa, wenn Spaziergängern buchstäblich eine südamerikanische Dreiecksnatter über den Weg läuft, beziehungsweise schlängelt.

Zu den häufigsten Beweggründen zählt eine von ehemaligen Besitzern ins Feld geführte Überforderung, sei es aus Geld- oder Zeitmangel. Als „Argumente“ für das Aussetzen in die freie Natur werden von den Betroffenen

  • hohe Stromkosten fürs Terrarium
  • schwere Vermittelbarkeit
  • hohe Pflegeansprüche

am häufigsten genannt.

Hilflos der Kälte ausgesetzt

Da nahezu alle Reptilien eine wechselwarme Körperregulierung besitzen und keine eigene Wärme durch z.B. Muskelkontraktion produzieren können, sind sie stark von der Umgebungstemperatur abhängig – was für ausgesetzte Exoten an frostigen Wintertagen der sichere Tod bedeutet – auch wenn die Tiere während der Winterruhe ihren Stoffwechsel drastisch reduzieren können. Um diese für die exotischen Haustiere zu gewährleisten, sollten schon vor Eintritt der kalten Jahreszeit entsprechende Vorbereitungen getroffen werden.

Herbert Rückert, Leiter des Mannheimer Tierheims, zieht für die letzten Monate eine kritische Bilanz: Von November 2015 bis heute seien fünf Boas und eine Echse geborgen worden, die die äußeren Umstände nicht überleben konnten. Auch das Aussetzen von Wasserschildkröten, die in größerer Anzahl die Ufer des Luisenparks bevölkerten, sei problematisch. Die Allesfresser schädigten Flora und Fauna.

Falsch verstandene Tierliebe

Rückert sieht die fatale Triebfeder, die hinter der Anschaffung solcher Tiere steht, in einem falschen Geltungsbedürfnis: „Die Menschen wollen etwas Interessantes, und stehen dann bei Freunden und Familie im Mittelpunkt.“ Nach einigen Monaten sei die Anfangseuphorie bei den meisten schon wieder verflogen – und die Tiere würden vernachlässigt. Gerade dann, wenn die Reptilien wachsen und größere Terrarien benötigen, fühlen sich viele Halter aus Platzmangel überfordert, die Auffangstationen hätten dann Hochkonjunktur. Glück nur, dass das Tierheim mit 30 Exoten die größte Not-Anlaufstelle für Reptilien in der Region hat.

Wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit

Jedoch: Da Einrichtungen wie in Mannheim in Baden-Württemberg Mangelware sind, und sich vielfach nicht genügend herumspricht, dass solche Rettungsstationen existieren, werden Reptilien meist aus Unkenntnis von skrupellosen Haltern einfach in der freien Natur „entsorgt“ und ihrem Schicksal überlassen.

Um einer breiten Unkenntnis in der Bevölkerung wirkungsvoll entgegenzuwirken, hatte das Tierheim im Verbund mit dem Mannheimer Tierschutzverein und dem Reptilium in Landau eine Info-Veranstaltung „Reptilien als Haustiere“ im April dieses Jahres organisiert. Tierpfleger und Tierschützer hielten Vorträge über artgerechte Haltung, Fütterung und Pflegeaufwand der Exoten und hatten so auf die Problematik öffentlichkeitswirksam aufmerksam gemacht.

Kontrollen auf Eignung

Aus Sicht des Tierheims sind solche Maßnahmen dringender denn je geboten, angesichts der Tatsache, dass die private Haltung von Reptilien in den letzten Jahren stetig zugenommen hat und ohnehin an Mindestanforderungen gebunden ist. Ein Manko ist jedoch, dass sich der umgekehrte Weg – sprich die Rückvermittlung – oftmals als wesentlich schwieriger erweist. So seien laut Rückert nicht alle Tiere leicht zu vermitteln, insbesondere die Wasserschildkröten stellten die Einrichtung vor Probleme, da angesichts mangelnder Nachfrage die Kapazitäten voll ausgelastet seien. Wer sich für einen Exoten entscheidet, muss sich vor der Vermittlung einer eingehenden Wohnungskontrolle von Tierheim-Mitarbeitern unterziehen und einen detaillierten Steckbrief über sich abgeben.