Karlsruhe (amf) Der Karlsruher Gemeinderat hat in seiner heutigen Sitzung den Weg frei gemacht für die mögliche Einrichtung eines Drogenkonsumraums. Mit einem solchen will das Sozialdezernat um Bürgermeister Martin Lenz (SPD) die aus Sicht vieler Anwohner angespannte Situation rund um den Werderplatz in der Karlsruher Südstadt entschärfen. Rund um den dortigen Indianerbrunnen hat sich in den vergangenen Jahren eine mittlerweile offene Drogenszene etabliert – zum Unmut vieler Anwohner und ansässiger Händler. Die Einrichtung soll zugleich dazu beitragen, dem im vergangenen Jahr verzeichneten Anstieg der Drogentoten in und um Karlsruhe entgegenzusteuern.
Bei der Abstimmung im Ratssaal am späten Dienstagnachmittag sprachen sich die anwesenden Stadträte einstimmig für das Vorhaben der Verwaltung aus. Der Raum soll Drogenabhängigen die Möglichkeit geben, dort unter Aufsicht von Fachpersonal und der Einhaltung bestimmter Regeln mitgebrachte Substanzen einzunehmen. Vor dem Konsum sollen die Betäubungsmittel von fachkundigen Mitarbeitern begutachtet werden. Betrunkenen oder durch andere Suchtmittel beeinträchtigten Personen soll der Zutritt verwehrt bleiben. Durch den Konsum unter hygienischen Bedingungen sollen die Suchtkranken vor Infektionen und Überdosierungen geschützt werden. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Polizeipräsidium Karlsruhe in seinem Zuständigkeitsbereich 23 Personen, die an den Folgen ihres Drogenkonsums starben – 2016 lag die Zahl noch bei 17.
Standortfrage ungeklärt
Wo genau der Konsumraum eingerichtet werden soll, steht indes noch nicht fest. Die für das Projekt zuständige Arbeitsgemeinschaft bevorzugt eine Kombination des angedachten Konsumraums mit dem bereits bestehenden „get IN,“ einer von der Karlsruher Arbeiterwohlfahrt (AWO) betriebenen Anlaufstelle für Drogenabhängige in der Kriegsstraße. Denkbar sei etwa eine Unterbringung von Drogenkonsumraum und Kontaktladen in einem Gebäude, das über zwei getrennte Eingänge verfügt. Durch die räumliche Nähe würden Synergieeffekte erzielt – auch unter personellen und finanziellen Gesichtspunkten. Eine Ansiedlung des Konsumraums in der Südstadt will das Dezernat um Sozialbürgermeister Lenz vermeiden – nicht zuletzt aufgrund der dazu kritischen Haltung der örtlichen Bürgergesellschaft. Dafür soll nach dem Willen der Stadt der vom Gemeinderat heute ebenfalls abgesegnete Trinkraum – neben dem Drogenkonsumraum die zweite Maßnahme zur Entschärfung der Situation am Werderplatz – in der Südstadt etabliert werden. Darin sollen Szene-Mitglieder und Suchtkranke unter entsprechender Aufsicht selbst mitgebrachten, niedrigprozentigen Alkohol trinken dürfen. Die Zuständigkeit für den Trinkraum soll beim Diakonischen Werk liegen, das in der Schützenstraße unweit des Werderplatzes seine Räumlichkeiten bezieht.
Land muss Vorhaben absegnen
Bevor die Stadtverwaltung ihren Plan zeitnah in die Tat umsetzen kann, muss das Land Baden-Württemberg zunächst jedoch die rechtliche Grundlage dazu schaffen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Berlin, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen, wo teils seit einigen Jahren Drogenkonsumräume betrieben werden, gibt es in Baden-Württemberg noch keine entsprechende Verordnung. Erst wenn auch der Landtag in Stuttgart grünes Licht erteilt, können die Verantwortlichen im Karlsruher Rathaus ihr Vorhaben konkretisieren. Innerhalb der grün-schwarzen Landesregierung ist die angedachte Einrichtung umstritten. Während die Grünen um ihren Sozialminister Manfred Lucha das Vorhaben unterstützen, ist die CDU-Fraktion gespalten. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf steht dem Vorhaben grundsätzlich offen gegenüber – Innenminister Thomas Strobl hingegen äußert Bedenken und befürchtet unter anderem einen möglichen Drogentourismus.
Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) hatte bereits vor der heutigen Entscheidung im Gemeinderat angekündigt, dem Land Druck machen zu wollen. Eine Entscheidung des Landtags vor der Sommerpause gilt als wahrscheinlich. Vorausgesetzt die Abgeordneten in Stuttgart segnen das Vorhaben ab, soll der dann landesweit erste und zunächst auf drei Jahre angelegte Drogenkonsumraum zum 1. Januar 2019 in Betrieb gehen. Die Stadt Karlsruhe beziffert die jährlich anfallenden Betriebskosten auf knapp 200.000 Euro.