Bure (cm) Im Lothringischen will Frankreich ein Endlager errichten. Allein die geringe Distanz zur Grenze schreckt auch in Baden Gegner auf. Doch wie gefährlich ist ein Endlager tatsächlich?
Am 12. Juli beschloss das französische Parlament, grünes Licht für ein unterirdisches Endlager für hochradioaktive Abfälle zu geben. Gerade für die südwestdeutschen Regionen hat diese Meldung die Sprengkraft einer Fliegerbombe: Das Endlager soll in Bure entstehen – mitten in Lothringen, 177 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Noch ist die Anlage ein Versuchslabor. Allerdings nicht mehr lange: Ab 2020 soll eine Pilotphase beginnen. Ist diese nach fünf Jahren abgeschlossen, könnte mit der Einfuhr begonnen werden.
Selbst neutral eingestellten Personen läuft bei dieser Vorstellung ein Schauer über den Rücken. Aber abseits von Emotionen will der folgende Artikel Licht in die Sache bringen und sowohl Technik als auch Risiken beleuchten.
1. Was ist ein Endlager?
Endlagerung ist, die „dauerhafte Verwahrung von Abfällen an einem speziell dafür eingerichteten Ort“. „Dauerhaft“ umfasst hierbei nach menschlichem Ermessen gigantische Zeiträume: In Bure geht man von hunderttausend Jahren aus. Dafür sind nur Geo-Formationen geeignet die sich seit Jahrmillionen wenig verformten und es zukünftig nicht tun werden. Damit bleiben nur Granit-, Salz- und Tonformationen übrig – aus letzterem besteht der Untergrund unter Bure.
2. Problem Wärme
Radioaktive Abfälle werden in drei Klassen eingeteilt:
- Schwachradioaktive Abfälle
- Mittelradioaktive Abfälle
- Hochradioaktive Abfälle
Was die hochradioaktiven Materialien, die in Bure gelagert werden sollen, brisant macht ist die sogenannte Zerfallswärme. Bei schwach- und mittelradioaktiven Abfällen ist diese kein Problem, hochradioaktiver Müll muss jedoch Jahrhunderte gekühlt werden. Also darf keine Energieversorgung vonnöten sein. Hier kommen die Castor-Behälter ins Spiel, in denen der Müll endgelagert wird: Sie sind mit Kühlrippen übersäht, die diese Wärme ohne äußeres Zutun ableiten.
3. Schutzschicht um Schutzschicht gegen die Katastrophe
Bei hochradioaktiven Abfällen ist die Vorgehensweise angesichts der extremen Gefahren des Inhalts sehr aufwändig, wie folgendes Beispiel für in La Hague anfallende Restprodukte zeigen soll (mit denen Bure befüllt werden wird):
- Zuerst werden die Abfälle mit Glas zu sogenannten Kokillen Das soll sicherstellen, dass sie niemals ausgewaschen werden
- Diese Kokillen werden in dickwandige Edelstahlbehälter verpackt, die für einige tausend Jahre Sicherheit gegen Korrosion bieten.
- Die Edelstahlbehälter werden in den Castor verbracht. Verschlossen wird er mit einem Deckel, der auf Stehbolzen aufgesetzt und dann verschraubt wird. Ein zweiter Deckel soll als Rückversicherung gelten.
- In dieser Form werden die Castoren in das Endlager verbracht.
Die Summe dieser Maßnahmen ist nach menschlichem Ermessen extrem sicher. Jedoch können auch Profis nicht in die Zukunft blicken.
Der technische Ansatz besteht darin, Abfälle möglichst tief zu bestatten. In Bure sprechen wir von einem halben Kilometer. Selbst wenn Wassereinbrüche binnen Jahrtausenden erst die Castoren, dann die Edelstahlbehälter durchfressen und schließlich auch die Glaskokillen unter dem Gewicht des Gesteins zermahlen würden, wäre es durch die Distanz noch schwer, dass der Müll durch geologische Bewegungen wieder nach oben käme.
[@attachment:150211]
4. Wie warnt man Menschen im Jahr 102016?
Das Problem ist jedoch trotz dieser Maßnahmen der Mensch oder besser seine Nachfahren: Die schriftliche Menschheitsgeschichte lässt sich für rund 5000 Jahre zurückverfolgen (der Mensch existiert seit 200000) – selbst diese Schriften können nur von wenigen Experten entziffert werden. Wie warnt man also unsere Nach-Nachfahren, wenn sicher ist, dass dann niemand irgendeine heutige Schrift entziffern kann? Dieser Frage widmet sich die Atomsemiotik. Sie befasst sich nur mit den Problemen, wie man zukünftige Menschen davor warnen kann, an einem Endlagerpunkt zu graben:
- Die Warnung muss physisch allen Widrigkeiten der Zeit trotzen
- Es muss ersichtlich sein, dass es sich überhaupt um eine Warnung handelt
- Es darf kein Zweifel aufkommen, dass hier tatsächlich gefährliche Stoffe lagern und die Warnung nicht dem Schutz von Wertvollem gilt
- Die Warnung muss idealerweise ohne Schrift auskommen
Bure wird voraussichtlich bis 2120 befüllt. Schon wenn der „Deckel“ geschlossen wird, lebt also niemand mehr, der heute in die Arbeiten involviert ist. Genau dann beginnt die Arbeit, die Information für künftige Generationen zu bewahren.
Einer der vielversprechenderen Lösungsansätze ist , vom Eingang des Endlagers in konzentrischen Kreisen steinerne Obelisken zu setzen. Immer, wenn eine Schrift droht, auszusterben, wird eine neue Reihe von Stelen gesetzt und die Informationen transkribiert.