300 Jahre Karlsruhe – Architektur und Visionäre aus der Stadt

Karlsruhe (akm) Der Sommer ist gefüllt mit einem Programm zu Ehren der Stadt Karlsruhe, die in ihrer 300-jährigen Geschichte einige herausragende Köpfe und architektonische Leistungen hervorgebracht hat. Als ein Wahrzeichen der Stadt gilt die Karlsruher Pyramide, das Grabmal des Stadtgründers Karl Wilhelm von Baden-Durlach, die 1823 über der Gruft der ehemaligen Konkordienkirche errichtet wurde. Der Marktplatz mit der Stadtkirche und dem Rathaus gelten als Musterbeispiel des klassizistischen Bauens, Stadtbaumeister Friedrich Weinbrenner als ein Meister seiner Zunft und als bedeutender Visionär der Stadt. Noch bis zum 4. Oktober gibt es eine große Ausstellung über sein Leben und seine Werke in der Städtischen Galerie Karlsruhe zu bewundern.

 

 

Das Karlsruher Schloss und seine Architekten

 Besonders berühmt ist Karlsruhe für das Schloss, das der Stadtgründer 1715 entwerfen ließ und zwar in der berühmten Fächerform. Karlsruhe ist eine der letzten Städte, die mit einem Plan entworfen wurden und die Sonnenfächer der 32 Strahlen prägen bis heute das Stadtbild nachhaltig. Bis 2015 arbeiteten Fachleute an der umfassenden Renovierung der Fassade und des Schlossdaches, denn der Sandstein ist porös und das Holz zum Teil verfault. Der Architekt des Schlosses war Jakob Friedrich von Batzendorf, Bauleiter Heinrich Schwartz, welche bereits im 18. Jahrhundert experimentierten und einen Schlossturm mit 42 Metern Höhe errichten ließen. Balthasar Neumann, Albrecht Friedrich von Kesslau und Wilhelm Jeremias Müller bauten das Schloss schließlich im Stil des Barocks um, innen wie außen.

Im Zweiten Weltkrieg versuchte die Stadt mit dunklem Tarnanstrich eine Zielerfassung aus der Luft zu verhindern, doch 1944 wurde das historische Bauwerk trotzdem vollständig zerstört. Seit dem Wiederaufbau ist es in Teilen ein Museum, das von zehn bis achtzehn Uhr zu besichtigen ist. Öffnungszeiten unter http://www.landesmuseum.de/.

Bis heute ist das Schloss ein Publikumsmagnet

 

Die Nachkriegszeit  – Architektur im Wandel

 Durch die große Zerstörung der Architektur und Infrastruktur der Stadt kamen die Aufbauarbeiten nur langsam voran. 1953 entstand die bekannte Schwarzwaldhalle am Festplatz, nach Plänen von Prof. Dr. Erich Schelling. Unter Architekten-Experten gilt der Bau einer Halle ohne Säulen mit Spannbetondecke als revolutionär. In der Nachkriegszeit fand auch der Bundesgerichtshof Einzug in die Gebäude rund um das Erbgroßherzogliche Palais, auf vier Hektar im Stadtzentrum. Das Palais war ursprünglich klassizistischen Ursprungs, erbaut von Friedrich Weinbrenner. Bis 1897 entstand ein Umbau von Friedrich Ratzel im Stil des Neobarocks mit der imperialen Oberlichtkuppel, die im Weltkrieg zerstört wurde. Durch den Umzug des Bundesgerichtshofes wurde das Palais 1950 wieder hergestellt. 2012 entwarf das Architektenbüro Harter + Kanzler das neue Empfangsgebäude, das einen Kubus mit Fassade aus Naturstein darstellt. Die Architekten erhielten einen Preis für beispielhaftes Bauen im Namen der Bundesrepublik Deutschland, wie hier nachzulesen ist. Besonders das Bauvolumen, die klare Übersicht und natürliche Energiekonzept fanden Anklang bei der Jury.

Ein weiterer Visionär der Stadt Karlsruhe ist der Berliner Egon Eiermann, der in der Fächerstadt 23 Jahre lang wirkte und lebte. Bereits während der Nazizeit hat er sich durch seine Abgrenzung zu dem Stil des Nationalsozialismus hervorgehoben und verhalf als Professor der Technischen Universität Karlsruhe wieder zu einem bedeutenden Namen, wenn nicht sogar den Ruf der führenden Ausbildungsstätte für Architekten in Deutschland. Als Architekt und Möbeldesigner schuf er in den 50er und 60ern markante Gebäude und Gegenstände, wie den Deutschen Pavillon der Weltausstellung Brüssel 1958, die deutsche Botschaft in Washington, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche oder das Abgeordneten-Hochhaus des Bundestages in Bonn. In Karlsruhe selbst konnte er „nur“ das Versuchskraftwerk der Universität oder die Bauten der MiRO-Raffinerie bewirken, doch sein Verdienst ist weit über Karlsruhe hinaus bekannt, wie durch den Preis des Egon Eiermann Stuhls der Egon Eiermann Gesellschaft. Der Preisträger 2014, Eberhard Lange, bekräftigt in diesem Interview die Bedeutung des Mentors und Professors zu seiner Zeit in Karlsruhe.

 

Die Fakultät für Architektur und Bauwesen – Vergangenheit und Gegenwart

Die Universität Karlsruhe wurde 1825 gegründet.  Die Fakultät vereinte das Architektonische Institut für Bauhandwerker unter der Leitung von Friedrich Weinbrenner und die Ingenieurschule Johann Gottfried Tullas. 2009 kam der Zusammenschluss der Universität mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie. Neben dem bereits erwähnten Egon Eiermann sind zahlreiche weitere bedeutende Köpfe des Landes in Karlsruhe tätig gewesen, wie Heinrich Hübsch, Fritz Haller und Ottokar Uhl. 2006 erhielt die Universität die Auszeichnung als Spitzenuniversität Deutschlands neben der TU München und der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2015 belegte die Universität die ersten Plätze unter Studierenden-Umfragen in Bezug auf  Qualität der Professoren und Dozenten, der Karriereberatung und der Qualität der Bibliotheken.

Das ansässige Südwestdeutsche Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai) ist eine der wichtigsten Sammlungen in ganz Deutschland. Aktuelle Forschungsprojekte beziehen sich auf das Wirken Friedrich Weinbrenners, Otto Herbert Hajeks und die Münchner Olympiaanlagen von 1972, nachzulesen auf der Projektseite.

 

Quo vadis Karlsruhe?

Die Sanierung des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe, das 1970 bis 1975 durch den Architekten Helmut Bätzner geplant und erbaut wurde, ist seit 2014 beschlossen. Das Gebäude soll um ein Schauspielhaus erweitert werden, mit zusätzlichen Werkstätten und dem musikalischen Apparat. Seit Juli 2015 stehen die Gewinner des ausgeschriebenen Wettbewerbs fest: Das Büro Delugan Meissl aus Wien und die Agentur Wenzel + Wenzel aus Karlsruhe. Hier ein Blick hinter die Kulissen.

Zum Stadtjubiläum waren 2007 47 Projekte angekündigt worden, um die Stadt attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Der Slogan „Karlsruhe. Viel vor. Viel dahinter.“ zog und zieht sich durch alle Bereiche, vom Image, bis zur Infrastruktur und Bürgerbeteiligung. Baustelle bleibt der Karlsruher Zoo, der nach 150-jährigem Bestand zum schönsten Stadtgarten der Region werden soll. Das Konzept ist ehrgeizig, die Umsetzung jedoch noch nicht vorangeschritten.

Auch das Wildparkstadion soll umgebaut und saniert werden, eigentlich schon im Jahr 2015, doch Regionalplan, Planungskonzept und Infrastrukturpläne stimmen noch nicht miteinander überein.

Ein positives Signal gab der Planungsausschuss für elf neue Fahrradstraßen, denn noch ist Karlsruhe keine Fahrradstadt.

In Umfragen und Forschungen des ADFC liegt Karlsruhe momentan auf Platz zwei hinter dem Spitzenreiter Münster und noch vor Freiburg. Mit der Cityroute-Nord und Süd gibt es bereits umfassende Möglichkeiten, durch die Stadt zu kommen, ohne die Fußgängerzone durchqueren zu müssen.