Stuttgart/Karlsruhe (pm/amf) Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl jährt sich am heutigen Dienstag zum 30. Mal. Am 26. April 1986 zerstörte eine Explosion Block vier im Kernkraftwerk in der Ukraine und schleuderte radioaktives Material in die Umgebung. Ein Ereignis, das sich auch auf Baden-Württemberg auswirkte und dessen Folgen zum Teil heute noch nachweisbar sind.
„Wir finden bei Stichproben in den Böden Oberschwabens noch das langlebige Cäsium-137“, sagt Margareta Barth, Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW). In einigen Regionen Süddeutschlands konnte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg im Fleisch mancher Wildschweine auch heute noch erhöhte Cäsiumwerte feststellen. „In allen anderen Nahrungsmitteln finden wir dagegen kaum noch künstliche Radionuklide“, sagt LUBW-Präsidentin Barth.
Zum Zeitpunkt der Katastrophe in Tschernobyl hatte in Baden-Württemberg das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten (MELUF) unter Führung des damaligen Ministers Gerhard Weiser die atomrechtliche Aufsicht. Weiser errichtete sofort ein Lagezentrum, das rund um die Uhr besetzt war und alle Maßnahmen koordinierte. Gemessen haben seinerzeit alle Einrichtungen, die über Strahlenmessgeräte verfügten. Zunächst wurde entsprechend der meteorologischen Verhältnisse und Prognosen in verschiedenen Regionen Strahlenpegel und Luftaktivität kontrolliert, später die Aktivität auf dem Boden. Rasch war klar, dass zu keiner Zeit in Baden-Württemberg eine Schwelle erreicht werden würde, bei der Maßnahmen des Katastrophenschutzes notwendig werden würden. Noch am Abend des 1. Mai wurde ein umfangreiches Programm zur landesweiten Untersuchung von Bewuchs, Gemüse und Milch beschlossen. Eine wichtige Anlaufstelle für diese Messungen war die LUBW. „Viele Freiwillige aus unserem Haus haben mitgeholfen. Die zahlreichen Proben hätten wir ohne sie nicht geschafft“, sagt Labormitarbeiter Volker Bechtle.
Infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde in Deutschland im Dezember 1986 das Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) erlassen. Eine bundesweite Überwachung der Umweltradioaktivität wurde initiiert. Es entstand das integrierte Mess- und Informationssystem (IMIS) mit einer festen Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Ziel war es, die Umwelt kontinuierlich zu überwachen und geringfügige Änderungen der Umweltradioaktivität schnell zu erkennen, aber auch langfristige Trends zu erfassen.